Schreib- und sprechunfähige Menschen dürfen nicht vom Aufsetzen eines Testaments ausgeschlossen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine 1896 erlassene Vorschrift für grundgesetzwidrig erklärt, wonach ein wirksames Testament nur schriftlich oder durch mündliche Erklärung gegenüber einem Notar errichtet werden kann. Die Vorschrift verstoße gegen den Schutz Behinderter und die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes, befand der Erste Senat. Dadurch werde das Erbrecht auch bei den Menschen beschränkt, die zwar weder schreiben noch sprechen könnten, jedoch ansonsten bei klarem Verstand seien.
Damit gab das Gericht einer Frau recht, die von einem durch Schlaganfall gelähmten Kaufmann als Alleinerbin eingesetzt worden war. D er 1989 gestorbene Mann, den sie sieben Jahre lang gepflegt hatte, konnte weder sprechen noch schreiben, wohl aber hören und sich durch Zeichen verständigen.
Die Tochter des Mannes hatte das Testament wegen » Formunwirksamkeit angefochten. Gerade dieser Fall zeige, dass auch schreib- und sprechunfähige Personen "über die für eine Testamentserrichtung erforderliche intellektuelle und psychische Selbstbestimmungsfähigkeit verfügen" können. Der Gesetzgeber war davon ausgegangen, dass sich der Wille des Erblassers durch Zeichen nicht zuverlässig ermitteln lasse.